Im Schwarzwald bestimmt die schwäbisch-alemannische Fasnacht mit ihren Jahrhunderte alten Bräuchen die fünfte Jahreszeit. Heidnische Kulte, wie das lautstarke Austreiben des Winters mischen sich mit christlichen Ritualen, wie feucht fröhlichem Feiern und letztem Fleischgenuss vor der Fastenzeit. Der Begriff „Fasnacht“ steht für die sechs Tage vom „Schmutzigen“ Donnerstag oder „Schmotzige Dunschtich“ bis zum Aschermittwoch. Bei zahlreichen Umzügen und Narrentreffen bevölkern tanzende Hexen, Wilde Männer und viele andere bunte „Larven“ die Straßen sowie Gasthäuser der Orte. Ausgelassen amüsieren sie sich und treiben dabei ihre Scherze mit den Zuschauern.
Fasnacht, Fasching, Karneval – eine kleine Reise zu den Ursprüngen
Zwischen Weihnachten und den Fastentagen als Vorbereitung auf Ostern gab es seit dem Mittelalter in allen deutschen Regionen eine Zeit der „Anarchie“. Autoritäten – meist die Kirche – wurden verspottet; Regeln galten nicht mehr. Im Schutz von Masken und Verkleidungen genoss das einfache Volk seine „tollen Tage“. Die Menschen wussten, dass ab Aschermittwoch strenge Enthaltsamkeit geboten war – in jeder Hinsicht. Mit der Reformation verlor die „fünfte“ Jahreszeit vor allem in protestantischen Gegenden an Bedeutung. Der rheinische Karneval lebte ab 1815 wieder auf, als Köln nach Abzug der Franzosen preußisch besetzt wurde. Diese neuen Autoritäten machten die „Jecken“ damit lächerlich. In Südwestdeutschland überlebte die eher traditionelle schwäbisch-alemannische Fasnacht.
Bunte Tradition und überliefertes Erbe – die Fasnacht im Südwesten
Die fünfte Jahreszeit, wie sie in der Schwarzwaldregion gefeiert wird, grenzt sich in vielem vom rheinischen Karneval ab. Brauchtum und alte Sitten stehen im Vordergrund. Die örtlichen Vereine organisieren sich im Gegensatz zu den Karnevalsgesellschaften in sogenannten „Narrenzünften“. Sie pflegen die Bräuche ihrer jeweiligen Heimatorte und richten Veranstaltungen sowie die großen Umzüge aus. Charakteristisch sind die aufwendig gestalteten Kostüme, auch „Häs“ genannt, aus Holzmaske oder „Larve“ und dem Narrenkleid. Die Hästräger behalten ihre kunstvolle Ausstattung meist ein Leben lang und vererben sie zum Teil weiter. Die dargestellten Figuren beziehen sich häufig auf Sagen und überlieferte, tatsächliche Ereignisse.
Hexentanz und Wilde Leute – Gestalten der schwäbisch-alemannischen Fasnacht
Trotz einer Vielzahl an auffallenden Hästrägern lassen sich ein paar Grundfiguren ausmachen. Unter anderem tauchen immer wieder auf:
- Teufelsgestalten – sie zählen zu den ältesten Verkleidungen. Aufgrund der vielen Verbote und Regeln der Kirche verkleideten sich die Feiernden erst recht als der„Leibhaftige“. Ein eindrucksvolles Beispiel ist heute der Fackelumzug der Triberger Teufel.
- Fasnachtshexen – zu ihnen gehören die tanzenden Löffinger Hexen aus dem Hochschwarzwald.
- Wilde Männer beziehungsweise Wilde Leute – waren für die Bauern und das gemeine Volk mit einfachen Mitteln günstig zu fertigen. Das Häs der Nussschalenhansele aus Wolfach etwa zeigt sich mit Tausenden Nussschalen besetzt.
- Tiergestalten – ein Beispiel stellt der „Hoorige Bär“ dar, eine dick gepolsterte Strohfigur aus Singen oder der vogelartige „Nachtkrabb“ der Murrhardter Narrenzunft.
Daneben treiben noch zahlreiche andere Narren, Sagen- und Fabelwesen bei den Umzügen sowie Veranstaltungen ihr Unwesen – sehr zur Freude der Zuschauer.
Vom Larvenabstauben bis zum Narrensprung – ein paar Fasnachtsrituale
Rosenmontagsumzug in Todtnau
Die schwäbisch-alemannische Fasnacht startet am sechsten Januar vielerorts mit dem traditionellen „Larvenabstauben“. Die Teilnehmer befreien Masken und Gewänder vom Staub des vergangenen Jahres. Hexen, Teufel sowie sonstige Wesen erwachen wieder zum Leben und die tollen Tage können beginnen. Nach den ersten Veranstaltungen und Treffen der Narren geht es am „Schmutzigen“ Donnerstag in die heiße Phase. „Schmotzig“ steht in vielen alemannischen Dialekten für „fettig“. Der Name bezieht sich auf das Fettgebackene, beispielsweise die Krapfen oder die unverzichtbaren „Fasnachtskiechli“. Ein besonderes Erlebnis sind in vielen Orten im Südwesten die Umzüge, auch Narrensprünge genannt. Neben eindrucksvollen Hästrägern begleiten Musik und Fanfarenkapellen den Weg. Danach folgt lustiges Treiben in den Kneipen und Festsälen. Meist am Wochenende nach der närrischen Zeit findet im benachbarten Basel der Basler Morgenstreich statt. Das Scheiben schlagen ist das Ende der schwäbisch-alemannische Fasnacht.
Immer einen Besuch wert – das bunte Narrentreiben im Schwarzwald und der Region
Durch Berichte und zahlreiche Fernsehübertragungen boomt die Fasnacht im Schwarzwald bereits seit Jahren. Sehenswerte Umzüge finden unter anderem in Hornberg, Rottweil oder in Furtwangen statt. Gerade der Kontrast zum rheinischen Karneval macht für viele Gäste den besonderen Reiz aus. Die kunstvoll geschnitzten Masken und aufwendigen Kostüme ziehen die Zuschauer in ihren Bann. Ein Blick hinter die Kulissen und zu den historischen Wurzeln des bunten Treibens lohnt sich. Im Jahre 2014 wurde die schwäbisch-alemannische Fasnacht in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen. Ein Kulturgut zum Mitfeiern!