Alemannische Dialekte im Wandel der Zeit
Um das Alemannische reibungslos zu verstehen, sollte man zumindest etwas Schwäbisch/ Badisch und ein bisschen Schwizerdütsch können. Diese grobe Einordnung bringt das erste Licht ins Dunkel der vielschichtigen oberdeutschen Dialektgruppe, doch es stellt sich die Frage:
Was ist Alemannisch?
Dass die Alemannen Namensgeber für diese Mundart waren, ist unschwer zu erkennen. Keinesfalls darf aber die historische Kultur der Alemannen mit dem heutigen Vokabular und den aktuellen Sprechern gleichgesetzt werden. Richtig ist nur die gebräuchliche Anlehnung des volkstümlichen Begriffs im Gebiet von Südbaden. Im Elsass hat sich die Variante „Elsässisch“ und in der Schweiz analog das Schweizerdeutsch verbreitet. Präziser wäre es demnach, all diese Dialektformen als Westoberdeutsch zu bezeichnen.
Bis zum heutigen Tag sind sich die Forscher uneins, welche Einzeldialekte zu dieser Gruppe zählen. Ganz sicher aber handelt es sich um einen sehr interessanten und wichtigen Zweig der deutschen Sprachkultur.
Wo wird Alemannisch gesprochen?
Das heutige alemannische Dialektgebiet erstreckt sich über den gesamten Südwesten Deutschlands bis hinunter in den südlichsten Ausleger des Oberwallis in der Deutschschweiz. Beginnend bei der Karlsruher Gegend als nördlichste Grenzlinie, überstreift es im Westen das Elsass und im Osten kleinere Teile Bayerns sowie Österreichs. Bis zu fünf Hauptgruppen des Dialekts unterscheiden die Sprachwissenschaftler, wobei viele Regionen und sogar Ortschaften wiederum eigene Merkmale hervorgebracht haben. Darüber hinaus verändert eine starke Dynamik dieser Hauptgruppen das Sprachbild zugunsten bestimmter lokaler Schwerpunkte und formt daraus eine neue Charakteristik.
Die Einteilung im Überblick
Wenn man von Norden ausgehend die Dialektzonen Richtung Süden durchstreift, ergibt sich folgende Liste:
- Schwäbisch
- Niederalemannisch (Oberrheinisch und Bodenseealemannisch)
- Hochalemannisch
- Höchstalemannisch
Nach anderen Auffassungen wird zusätzlich unterteilt in:
- Nordalemannisch
- Mittelalemannisch
- Südalemannisch
Wieviele Sprecher gibt es?
Das größte zusammenhängende Verbreitungsgebiet umfasst rund zehn Millionen Menschen im südwestdeutschen Raum. Damit sind ganz Baden-Württemberg abgedeckt und die erwähnten Ausläufer in West und Ost sowie die gesamte Fläche der deutschsprachigen Schweiz. Dazu kommen noch Nischengebiete im nicht benachbarten Ausland, beispielsweise in Rumänien oder Amerika. Freilich kann nur geschätzt werden, wie tief die Dialekte dort jeweils im Alltagsgebrauch verwurzelt sind. Nichtsdestotrotz kann man aufgrund dieser Ausdehnung insgesamt mehrere Millionen Sprecher annehmen, die in unterschiedlichen Ausprägungen die ein oder andere Form des Westoberdeutschen als Muttersprache verwenden.
Ist Alemannisch eine eigene Sprache?
Was mit Blick auf die Mundartler sofort augenzwinkernd bejaht werden kann, ist für Linguisten eine ernsthafte Frage. Neben typischen Eigentümlichkeiten in Phonetik und Wortschatz nehmen Außenstehende auch deutliche grammatikalische Besonderheiten wahr. Das Empfinden einer nicht korrekten Wortstellung gilt als weiteres Indiz für den Status eines abgetrennten Sprachzweigs. Sehr anschaulich wird diese Einstufung natürlich anhand der Varietäten im Elsass, in Vorarlberg und des Schweizerdeutschen Raumes, aber auch durch die sprachliche Vielfalt der Großstädte und deren Umgebung. Fachleute ziehen daher sogar mehrere eigenständige alemannische Sprachen in Erwägung, da sich untereinander nur bedingt oder gar nicht verstanden wird.
Abstammung und Ausdehnung
Einst verbündeten sich mehrere umherziehende Germanenstämme, großteils Sueben, auf ihren Wanderungen in der Gegend zwischen Main und dem römischen Limes. Diese Vermischung der Völker ist bereits an der Zusammensetzung des Wortes Alemanne ersichtlich, das aus den germanischen Begriffen für „alle“ und „Menschen/Männer“ gebildet wurde. Jene kulturellen Ereignisse deuten auf die Entwicklung einer gemeinsamen Sprachwurzel hin, aus welcher die Varietäten des heutigen Westoberdeutschs gewachsen sind. Die regionale Vielfalt entstand dagegen durch die Isolation der Siedlungsgebiete über größere Zeiträume.
Die Zeit der Entstehung
Um das zweite Jahrhundert nach Christus, also im Frühmittelalter, vollzog sich der germanische Zusammenschluss, aus dem die Alemannen resultierten. Man geht davon aus, dass sich deren Siedlungsprozesse im heutigen westoberdeutschen Areal bis ins 6. Jahrhundert hinein fortsetzten. Von da an wird eine sprachliche Kontinuität vermutet, welche das vereinte Mundartgebiet erschaffen hat. In der Historie werden jene Widersacher Roms ab dieser Zeitspanne gleichermaßen Alemannen oder Schwaben genannt.
Nachdem eine einheitliche deutsche Dachsprache damals noch nicht existierte, gilt das Alemannische als bedeutsame Wiege.
Grammatik und Bemerkenswertes
Zahlwörter unterscheiden bis zu drei Genera. Aus dem üblichen zwei wird somit beispielsweise ein „zwee“ für die männliche, ein „zwoo“ für die weibliche und ein „zwää“ für die neutrale, sächliche Form.
Umlaute sind häufiger anzutreffen als im Hochdeutschen, Kasus werden sparsam benutzt. Der Genitiv erhält eine eigentümliche Sonderstellung. So bedeutet z.B. „Hesch der Zyt?“ wörtlich: „Hast Du [der] Zeit?“. Typisch ist auch die Umschreibung der Besitzanzeige: „dem/der [Name] sein/ihr [Besitztum]. „Wo“ als Relativpronomen statt „welcher“ und manch freie Verbstellung sind weitere Kennzeichen: „dass sie hat die Reise machen können/dass sie die Reise machen hat können.“.
Redewendungen
Drei Redensarten zum Mitraten:
- E Hitz, dass d Schnegge belle. (Es ist sehr heiß.)
- Mol luege! (Mal schauen!)
- Heb di guet fescht! (Halt dich gut fest!)
Die vielen mundartlichen Feinheiten muss man durch Gebrauch und Umgang erlernen. Zu guter Letzt seien hier deswegen noch ein paar spezielle Ausdrücke vermerkt. Wenn einer nichts taugt, sagt man auf Schwäbisch „Lumbeseggl“. Aber wären Sie drauf gekommen, dass man im „Chuchichänschderli“ (Küchenschränkchen) seinen „Chriesiküache“ (Kirschkuchen) verstecken kann? Eigentlich findet sich dort nur „Igmachts“ (Eingemachtes) wie „Gugummer(e)“ (Gurke). Wenn es dann „am Zuenachte“ ist (wenn es Nacht wird), kann man hoffentlich in sein „Verschnuufeckli jucke“ – zu seinem Rast- und Ruheplatz hüpfen.